Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt. ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen müssen sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen, wobei Missverständnisse vorprogrammiert sind.
Ein Aspekt der Digitalisierung, der sowohl gewaltige Chancen als auch umfangreiche Risiken bietet, ist die Loslösung der Arbeit von örtlichen Gegebenheiten. Smartphone, Laptop, Telefon- und Skype-Konferenzen und bald wohl auch Avatar-Besprechungen mit Hologrammen ermöglichen es, bestimmte Arbeiten von jedem Ort der Welt zu erledigen. Auf Arbeitnehmerseite bedeutet dies positiv betrachtet den Wegfall verlorener Lebenszeit durch Pendeln sowie eine räumliche und damit verbunden zeitliche Flexibilität. Diese Flexibilität ermöglicht ein besseres Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers, gerade im Bezug auf familiäre Verpflichtungen. Gesellschaftlich gesehen könnten diese Möglichkeiten eine wirksame Waffe gegen den Abzug von Arbeitsplätzen aus dem ländlichen Raum und einer „Verstädterung der Arbeit“ bilden.
Die Kehrseite der Medaille ist eine gefühlte oder tatsächliche ständige Erreichbarkeit und das Fehlen von Ruhezeiten. Hier sind verantwortungsvolle Vereinbarungen zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn notwendig. Eine Vereinbarung, in der die gegenseitigen Erwartungshaltungen betreffend Erreichbarkeit abgeglichen werden, kann viele Missverständnisse verhindern und die Lebensqualität der Beteiligten drastisch erhöhen. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, bestimmte Kanäle (wie zB SMS oder WhatsApp) auf bestimmte Themen (zB Erledigungen die keinen Zeitaufschub dulden) zu beschränken, während andere Kanäle (zB E-Mail) nur zu bestimmten Zeiten bearbeitet werden und für diese Kanäle eine bestimmte Reaktionszeit (zB im Regelfall 48 Stunden) vereinbart wird. Damit wird auch das Problem der gefühlten (und vielfach tatsächlichen) Beschleunigung im täglichen Arbeitsleben gemindert. In manchen Fällen ist es notwendig, dass der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin oder der/die Vorgesetzte seine/ihre Erwartungshaltung klar kommuniziert, teilweise ist es sogar erforderlich, als Vorgesetzte/r besonders pflichtbewusste MitarbeiterInnen daran zu hindern, spät abends oder am Wochenende nicht dringende E-Mail-Anfragen zu bearbeiten.
Natürlich bringt diese Flexibilisierung auch noch andere Probleme mit sich. Dislozierte Arbeitsplätze erfordern neue Wege der Kommunikation. Das sehr beliebte „Ich-schicke-ein-E-Mail-vorsichtshalber-an-die-halbe-Welt-in-cc“-Spiel wird hier wohl nicht die beste Lösung sein. Kommunikations-Tools wie „Slack“ helfen hier schon eher weiter. Dislozierte Arbeitsplätze haben aber auch sehr viel mit Vertrauen zu tun. Besteht zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn nicht ein gemeinsames Grundverständnis, welche und wieviele Arbeiten in einer bestimmten Zeit erbracht werden können und müssen, birgt räumliche Flexibilität sehr großes Konfliktpotenzial in sich.
Letzteres korreliert mit einem weiteren Trend, den die Digitalisierung mit sich bringt: Die Messbarkeit. Digitalisierung bedeutet in der Regel Auswertbarkeit von Daten, was wiederum neue Möglichkeiten der Messung von Arbeitsleistung mit sich bringt. Auch hier gilt: Nur sinnvolle Zielvereinbarungen zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn vermeiden Missverständnisse.
In jungen Unternehmen gut beobachtbar ist das Phänomen des „Konnektiv statt Kollektiv“. Projektteams werden für bestimmte Aufgabenstellungen schnell gegründet und nach der erfolgreichen Abwicklung auch oft wieder schnell aufgelöst. Die Zusammensetzung der Teams erfolgt weniger nach örtlichen sondern viel mehr nach kompetenzgetriebenen Gesichtspunkten, was Werte wie Vertrautheit und Routine in den Hintergrund rückt. Dies stellt vor allem für die Projektleiterinnen und Projektleiter eine große Herausforderung dar, weil hier ausgeprägte Moderationsfähigkeiten unerlässlich sind. Teilweise erfolgt die Zusammensetzung solcher interdisziplinärer Gruppen international, was zusätzliche sprachliche Herausforderungen mit sich bringt.
Die größte Gefahr die in der Digitalisierung der Arbeitswelt liegt ist somit nicht die Digitalisierung an sich sondern ein falscher Umgang mit den neuen Möglichkeiten, der seinen Ursprung sowohl auf ArbeitnehmerInnen- als auch auf ArbeitgeberInnen-Seite haben kann.