Jeder kann Medien machen - Fluch oder Segen?

Die Digitalisierung und das Internet machen Privatpersonen, Unternehmen und Institutionen zu potenziellen Content-Produzenten. Der richtige und erfolgreiche Umgang mit diesen Möglichkeiten erfordert allerdings die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen.

 

Immer wieder liest man Kommentare wie „Das Internet hat uns einen Demokratisierungsschub gebracht, weil jede und jeder kann jetzt ein Medium betreiben!“ oder aber eben das Gegenteil wie „Furchtbar, dass heutzutage jede und jeder irgendwelchen Unsinn weltweit publizieren kann!“ Was stimmt jetzt? Oder ist es ein bisschen von beiden?

 

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen lohnt sich ein Blick in die nicht allzu weite Vergangenheit. Vor dem Siegeszug des Internet war es tatsächlich oft eine Frage des Kapitals, eine große Anzahl von Menschen mit Medienprodukten zu erreichen. Im Printbereich etwa bildeten die Bereiche Druck und Vertrieb (physische Zustellung der Ausgaben) sehr hohe Einstiegshürden. Es ist kein Zufall, dass in Österreich mit Ausnahme von Wien, Niederösterreich und Burgenland jedes Bundesland eine dominante Tageszeitung hat, die noch bis Anfang der 2000er Jahre sensationelle Renditen erzielt hat (die im Übrigen - volkswirtschaftlich begründbar - unter anderem mit den hohen Einstiegshürden in Verbindung standen). Aber auch Radio und insbesondere Fernsehen waren Medienbereiche, die entweder mit hohem Kapitaleinsatz, hohem Risiko oder sogar beidem verbunden waren. Zusätzlich erschwerend wirkte und wirkt sich die Dominanz des öffentlich-rechtlichen ORF aus, dessen gebührenfinanzierten Reichweiten sowohl im Informations- als auch Unterhaltungssektor in einigen Bereichen wenig Platz für andere Medienprodukte lassen.

 

Das Internet - oder besser die Digitalisierung - haben gleich in mehrerlei Hinsicht zu fundamentalen Veränderungen geführt: Die Verbreitungsproblematik (Stichwort Zustellung) stellt sich nicht mehr. Ein Blogbeitrag kann an jedem Ort der Welt geschrieben aber auch an jedem Ort der Welt gelesen werden. Ähnliches gilt für Audiobeiträge (man denke nur an den boomenden Markt der Podcasts) oder auch den Bewegtbildbereich (Stichwort „youtube“). Auch das technische Equipment, mit dem Audio- und Videoaufnahmen in hoher Qualität erstellt werden können, erlebte in den vergangenen 20 Jahren einen dramatischen Preisverfall. Was früher ein riesiges Kamera-Ungetüm war haben viele von uns inzwischen in Form eines Handys in der Hosentasche. Auch die schwindende Bedeutung der Abhängigkeit von linearen Zeitplänen (Stichwort „Fernsehprogramm“) zugunsten des zunehmenden „On-Demand“-Konsums bringt eine weitere Fragmentierung des Medienmarktes mit sich. Insbesondere junge Menschen konsumieren ihre Informationen und ihre Unterhaltung wann, wo und wie (auf welchen Geräten) sie wollen.

 

Mit dieser Entwicklung allerdings nicht automatisch mitgewachsen ist die Qualität der veröffentlichten Artikel und Beiträge, sowohl was die Produktion als auch den Inhalt betrifft. Qualitätskriterien, die bei etablierten Medien zumindest meistens eingehalten werden, gelten für Publikationen von Privatpersonen nicht. Wenn diese Beiträge dann noch zusätzlich über Social-Media-Kanäle eine weite Verbreitung finden kann das problematisch sein. Dazu tragen auch die Algorithmen der Social-Media-Plattformen bei: Es ist erwiesen, dass Postings, die negative Assoziationen wie Hass oder Angst auslösen, mehr Interaktion erfahren und damit von den Ausspielungs-Algorithmen bevorzugt werden. Damit wirken diese Plattformen leider oft als „Brandbeschleuniger“. Zahlreiche Initiativen der letzten Jahre von Facebook und Twitter belegen, dass dieses Problem inzwischen so virulent geworden ist, dass die großen Plattformen widerwillig aber doch dagegen vorgehen. Langsam wird man auch in der Bildungspolitik darauf aufmerksam, dass die Vermittlung von Medienkompetenz mehr in den Fokus an Schulen und sonstigen Weiterbildungseinrichtungen rücken sollte. Bis diese Maßnahmen jedoch greifen werden noch viele Jahre vergehen. 

Was aber können Unternehmen und öffentliche Institutionen tun, um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen? Ich sehe hier drei Ansatzpunkte:

 

1.     Medienkompetenz im Unternehmen/in der Institution aufbauen

2.     In Inhalten und Kanälen denken

3.     Kommunikation aktiv betreiben

 

zu 1.    Medienkompetenz im Unternehmen/in der Institution aufbauen

Während früher ein guter Kontakt zur Lokaljournalistin/dem Lokaljournalisten und zwei Presseaussendungen per Fax pro Jahr ausreichend waren, braucht es heute eine Grundkenntnis aller relevanten Medienkanäle. Zumindest die reichweitenstarken Kommunikationsmöglichkeiten (Website, Social Media, Newsletter) müssen von Profis im Unternehmen betreut werden. Oft bauen Unternehmen und Institutionen diese Ressourcen erst auf, wenn es bereits zu spät ist (weil sie zum Beispiel in einen Shitstorm geraten sind). Auch die Nutzung von „paid media“-Möglichkeiten, also der bezahlten Verbreitung von Inhalten (etwa auf Facebook), sollte von Profis durchgeführt werden. 

 

2.         In Inhalten und Kanälen denken

Früher wurden Kommunikationsanliegen sehr stark am jeweiligen Medium orientiert: Für die Zeitung produzierte man einen ganz anderen Inhalt wie zum Beispiel für einen Fernsehbeitrag. Heute muss die Überlegung anders erfolgen: Welchen Inhalt will ich kommunizieren und was ist die passende „Verpackung“ auf den jeweiligen Kanälen? Dasselbe Kommunikationsanliegen sollte nämlich auf der Website ganz anders gestaltet sein wie in der Presseaussendung oder auf Facebook. 

 

3.         Kommunikation aktiv betreiben

„Agieren statt reagieren“ heißt das Motto. Wer etwa erst in einer Kommunikationskrise damit beginnt, eine loyale und jederzeit erreichbare Zielgruppe aufzubauen, wird scheitern. Unternehmen und Institutionen müssen in langjähriger Aufbauarbeit selbst die Verbindungen zu ihren Peer-Groups schaffen, damit sie unabhängig von anderen Medien mit diesen in Kontakt treten können. Auch die Beschäftigung mit Zielgruppen ist unerlässlich. Während früher eine „Schrotflinten“-Kommunikation manchmal ausreichend war, sind die Anforderungen auf digitalen Kanälen viel höher, weil sich die Informationsbezieherinnen und -bezieher vielfach in ihren selbst zusammengestellten „Informationswelten“ bewegen - und genau dort muss man sie erreichen. Ein wichtiges Stichwort bei der aktiven Betreibung von Kommunikation ist „Authentizität“: Durch die Vielzahl an Publikationen, Videos und sonstigen Beiträgen sind die Qualitätsansprüche an Bild- und Tonqualität in Summe sicherlich gesunken, besonders dann, wenn andere Werte wie Aktualität oder eben Authentizität im Moment der Veröffentlichung wichtiger sind. Lieber ein „patschertes“, aber authentisches Video der Firmeninhaberin als ein durchgestyltes, von PR-Leuten mit Bullshit-Bingo vollgepackten, nur eingelesenen, unnatürlich wirkenden Statement (ein gutes Beispiel sind hier die Videos von Bäckerei-Unternehmerin Doris Felber, nachzuschauen zB hier und hier.

 

Zusammengefasst kann man sagen, dass die durch das Internet und die Digitalisierung stark erweiterten Publikationsmöglichkeiten mehr Vorteile als Nachteile bringen. Allerdings nur dann, wenn man sich mit diesen Möglichkeiten ausreichend beschäftigt hat und die Kraft der jeweiligen Kanäle gezielt für sich verwendet. Sowohl der Aufbau der eigenen Reichweite als auch die Schaffung von Kompetenz im Unternehmen/in der Institution erfordern jedoch eine konzise Strategie und langfristige Ausrichtung, weil die erfolgreiche Erledigung dieser Kommunikationsaufgaben eher einem Marathon und weniger einem Sprint gleicht.

 

Anmerkung: Dieser Artikel erschien ursprünglich auf der Website von broadcastingsuite.tv:
https://broadcastingsuite.tv/jeder-kann-medien-machen-fluch-oder-segen/

 

Photo by Austin Distel on Unsplash